Vanlife

Weiblich, blond und …

Zur Geschichte: Weiblich, blond und … Mehrere Wohnmobile stehen in Reih und Glied. Allesamt weiß, vom Kastenwagen, über Teilintegrierten bis zum Alkoven.

Eine Campergeschichte von Tom di Luc

Genau darum geht es, weiblich, blond, und.
Aber was: und?
Geht es um ein Klischee, was die Kombination von weiblich und blond in immer noch vielen (Männer-)Köpfen betrifft?
Mal sehen …

Tom, der ein Frischling unter den Campervanisten ist, plante eine kleine Tour, um seinen Campervan besser kennenzulernen.
Das Wohn-Geschoss hatte er sich mit seinem Lieblingsmenschen Bibi zugelegt, um dem Alltag entfliehen zu können, besonders wenn einem die Decke auf den Kopf zu fallen droht. Einfach reinsetzen und losdüsen.
Eigentlich sind die beiden keine Freunde von den Campingplätzen, bei denen meist die GFK-Seniorentransporter dicht an dicht gereiht sind und die Sanitäranlagen auch mit dem Rollator ohne Hindernisse zu erreichen sind.
Das Stehen in Reih und Glied, ohne großen Abstand hat im Alter durchaus seine Vorteile, denn man kann sich von Fenster zu Fenster gut unterhalten. Oder, man tauscht die Köstlichkeiten aus, die man zuvor beim Discounter erworben und in der Mikrowelle genusstauglich gemacht hat. Und dies alles, ohne aussteigen zu müssen.

Da die Saison vorbei und die Witterung merklich kühler geworden war, wollten sie es wagen, sich in die geordnete Welt der Service gewohnten Campingplatznutzer zu begeben. Das Flair der Camper untereinander soll ja sehr freundlich und hilfsbereit sein.

Ein Stellplatz ward gefunden

Ein kleiner Stellplatz ward gefunden, bei dem die Annehmlichkeiten von Strom, Wasser, Entsorgungsstation und Sanitäranlagen vorhanden war. Die beiden letzteren sind sehr, sehr wichtig, will man seine eigene Toilette und Dusche im Camper doch möglichst lange von Nutzungsspuren bewahren.
Außerdem immer die Schei…-Kassette leeren, den Wassertank nachfüllen und über den Abwassergully rangieren, um sein Grauwasser abzulassen, das ist nichts für den gemeinen Camper. Schließlich bezahlt man ja für diese Annehmlichkeiten.
Selbst hier gehen Tom und Bibi andere Wege, denn wenn, möchten sie schon auf den eigenen Pott gehen.

Das auserkorene Ziel war nach kurzer und ereignisloser Fahrt erreicht. Neugierig, was sie erwartet, fuhren die beiden in den sogenannten Campingplatz. Eigentlich waren es nur mehrere Parkplätze, die für die mobilen Ferienwohnungen herhalten mussten.
Zuvor müsse man sich allerdings an einer bestimmten Stelle melden und bekäme seinen Platz nach Zahlung eines gewissen Obolus zugewiesen. So der Hinweis auf einem Schild, das schon bessere Zeiten gesehen hat.
Gerade so schafften es die beiden, sich einen Platz zu sichern, denn schließlich hat man bis spätestens 17.00 Uhr an Ort und Stelle zu sein.

Tom hatte um ein Plätzchen gebeten, das vielleicht ein klitzeklein wenig hinten liegen darf, da dieser Bereich von genannten Sanitärstationen weiter entfernt war. Logisch, dass da, sofern der ganze Platz nicht rappelvoll ist, nicht jeder den langen Weg auf sich nehmen mag.
Oder kann?
Im höheren Alter kann der Weg schon recht weit sein, wenn’s drückt.
Weil auf die eigene Toilette … aber das hatten wir schon.

Unsere beiden Vanlife-Neulinge steuerten ihren Platz an, der unter hohen Bäumen lag.
Tom begann sich in das markierte Karree einzurangieren, als er vom Nachbarn neugierige Blicke wahrnahm.
Der saß auf seinem exklusiven Klapp-Falt-Sitz-Liegestuhl, genüsslich sein Weizenbierglas leerend.

Erwin

Als Tom seinen Campervan mit für ihn stattlichen 6,36 m ausgerichtet hatte, kam er gemütlich schlendernd, so als wäre er zufällig auf dem Weg, zu den beiden herüber.
Er stellte sich als Erwin vor, der mit seinem Reisemobil seit der Rente von einem zum anderen Campingplatz fährt. Seine Frau Else ist mit dabei, sowie ihre kleine Trixie, eine langhaarige Teppichratte.
Das Fahrzeug ist mit allem Schnickschnack ausgerüstet, meinte er, es funktioniert fast alles automatisch. Besonders die automatische Satellitenanlage wäre unentbehrlich, sowie das automatische Hydrauliksystem, dass das Reisemobil automatisch in die Waage bringt. Man bräuchte kaum noch Hand anzulegen.
Er kenne sich damit sehr gut aus, aber seine Frau hätte für diese Dinge kaum Verständnis.

Erwin bot als alter Camper-Hase an, dass, sollte Hilfe benötigt werden, wir uns nicht scheuen sollten, ihn zu fragen.
Dankend signalisierten Tom und Bibi dem hilfsbereiten Trainingsanzugträger in Adiletten, dass sie nun gerne mit den Vorbereitungen weitermachen möchten, damit sie den Abend genießen können.

Der Tisch und die Stühle waren aufgestellt und was noch fehlte, war die Markise. Tom und Bibi hatten diesen breiten Stoffhimmel noch nie selbst ausgefahren. Eigentlich sollte es kein Problem sein, dachten sie und machten sich ans Werk. Die Kurbelstange war oben innen im Heck eingeklinkt. Das Teil ging schonmal problemlos aus der Halterung.
Jetzt geht’s ans Rauskurbeln, das sich ebenfalls problemlos gestaltete.
Aber, die Stützen, irgendwie sind die Dinger verklemmt, oder verzogen. Sie ließen sich nicht vollständig aus ihrer Halterung befreien und somit auch nicht nach unten klappen. Wo sie ja stützen sollten, weil sie heißen ja auch so.

Erwin sah die Versuche, die Markise fachgerecht aufzustellen und dachte sich wohl fachkompetent einschreiten zu müssen. Als er jedoch erfuhr, dass das Ding nur mechanisch funktioniert, war er schon sehr erstaunt.
Er meinte nur, wer hätte denn in der heutigen Zeit noch so etwas Vorsintflutliches?
Natürlich wüsste er aber auch bei rein mechanischen Dingen zu helfen und begann das Ganze wieder einzurollen.
Wieder ausrollen, hat sich bestimmt nur verklemmt, meinte er.
Die Stützen blieben jedoch hartnäckig der Meinung, nicht aus ihrem Lager kommen zu wollen.

Blondie

Auf der anderen Seite hatte sich zwischenzeitlich ein alter Benz-Kastenwagen positioniert, dem man sein Alter und den Selbstausbau ansah. Eine junge Frau, blond, zierlich, adrett, hatte gekonnt ihr Gefährt für den Aufenthalt hergerichtet und kam mit freundlicher Miene zu Tom und Bibi, also auch zu Erwin.
Ob sie helfen können, fragte sie, sie möchte aber nicht aufdringlich sein.
Erwin funkte gleich dazwischen, dass es die geballte männliche Kraft schon schaffen würde.

Bibi funkelte ihn nur giftig an und meinte, dass es auch geballte Frauenpower gäbe.
Das schien dem blonden Wesen sehr sympathisch zu sein.
Tom gab ihr zu verstehen, dass da wohl nur eine kleine Raffinesse sei, aber er und Bibi kämen nicht drauf.
Erwin aber auch nicht.
Erwin raunte Tom leise zu, dass man von einer Blondine doch kein technisches Verständnis erwarten könne.
Dieser Spruch machte Erwin Tom sehr unsympathisch.
Klar, sie soll gerne mal schauen, vielleicht findet sie den kleinen Dreh.
Nachdem Tom erklärt hatte, wo es im wahrsten Sinne des Wortes hakte, nahm Jeanette, so hieß sie, die Stütze, hob sie leicht an, zog sie einen Zentimeter heraus und schwang die Stütze nach unten.
Sie erklärte Tom, dass es „nur“ an diesem kleinen Ruck liege, damit die Stütze frei wird. Es sei so eine kleine Sicherheitseinrichtung, meinte sie.
Erwin wollte wohl schon zu einem Vortrag ansetzen, als man Bibi von drinnen laut schimpfen hörte.
Sie bekäme kein Wasser aus dem Warmwasserboiler, der Hahn spuckt nur herum.
Erwin bekam wieder Oberwasser und erwähnte, dass da bestimmt der Schlauch kaputt ist, weil ja das Wasser unten wieder rausläuft. Könnte ein Marder gewesen sein, oder sowas.
Nur blöd, dass da keines von diesen Tierchen überhaupt ran käme.
Und ob wir denn überhaupt genügend Wasser getankt hätten, den Grauwassertank geschlossen, die Pumpen geprüft …

Jean

Jean, wie sie sich kurz nannte, meint nur kurz, dass sie das Problemchen kenne, es sei normalerweise aber nur eine Kleinigkeit. Nachdem sie den Boiler inspiziert hatte, bemerkte sie, dass ein Knöpfchen herausgesprungen war. Sie drückte das kleine Scheißerchen wieder rein, gab Bibi zu verstehen, dass sie den Wasserhahn auf Warmwasser und volle Leistung stellen solle.
Ein paar vom Wassergeber spuckende Äußerungen später lief die Leitung ohne Störung.
Jean sagte, dass es in der Nacht wohl unter 4° C gewesen sei und da macht der Boiler sozusagen von alleine auf, um ein Ein- und Auffrieren zu verhindern.

Erwin hatte sich zwischenzeitlich getrollt, denn es gab Abendessen.
Pizza aus der Packung, mikrowellengeföhnt.

Tom und Bibi jedoch luden Jean ein, zusammen ein Abendessen zu kochen.
Dankbar nahm sie an, denn Kochen war nicht so ihr Ding.

© Copyright Tom di Luc / Thomas Luciow 2021

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